50-jähriges Jubiläum der großen Glocke der St. Jakobuskirche
Ein Jubiläum folgt in der Kirchengemeinde Neuenmuhr auf das andere. 50 Jahre sind es her, daß zu den drei historischen Glocken der Neuenmuhrer St. Jakobuskirche eine weitere, große Glocke hinzu kam, nachdem ihre Vorgängerin zu Rüstungs- und Kriegszwecken abgeliefert werden muß.
Pfarrer i. R. Günter L. Niekel erinnert sich an die Ereignisse dieser Tage vom Glockenguß bis zur Glockenweihe anhand seiner Tagebuchaufzeichnungen und schreibt darüber: Nachdem vom Kirchenvorstand die Inschrift und die Glockenzier festgelegt war, wurde die Inschrift von Theologiestudent Günter Niekel gezeichnet und an die Glockengießerei Rincker gesandt. In wochenlanger Arbeit wurde dort die Gußform gebaut und am 2. Jun. 1972 machten sich etliche Neuenmuhr auf den Weg nach Sinn bei Herborn, um dem Glockenguß beizuwohnen. Am 14. Jun. 1972 kam allerdings die Nachricht, daß der Glockenguß misslungen sei und die Glocke nicht zur 350-Jahrfeier der St. Jakobuskirche geliefert werden könne.
Der zweite Guß gelang und am 4. Okt. kam die Glocke dann völlig unangekündigt mit der Bahn an und wurde zur Kirche gebracht und dort einfach vor der Tür abgestellt. Weil eine feierliche Einholung deswegen ausfiel, fand am 7. Okt. 1972 ein feierlicher Empfang mit einer Andacht von Pfarrer Manfred Bachmaier statt, in der er auch über die Geschichte und den Sinn der Glocke sprach. Die mit Herbstlaub und Blumen geschmückte neue Glocke stand zum Aufzug bereit vor der Kirche.
Am 10. Okt. baute Zimmermeister Joh. Ströhlein mit dem Schreinermeister Wittmann, Herrn Hertlein, Herrn Hillermeier und Günter Niekel in der Glockenstube einen Kran. Mit einem Seil und per Hand wurde der bis zu fünf Meter lange Auslegerbalken und die anderen kürzeren Balken in die Glockenstube gezogen. Am Abend war es dann so weit, daß die Glocke in Gegenwart und unter Mithilfe vieler evangelischer und katholischer Gemeindeglieder in die Glockenstube gezogen werden konnte. Eine Überraschung gab es, als die Glocke vor dem Schallfenster hing, daß der Nachbar Hillermeier links und rechts erweitert hatte. Die Drahtseilschlaufe war doch ein bisschen größer als angenommen und hing nun die Glocke ca. 5 cm zu tief am Haken und konnte nicht in den Turm gebracht werden. Das war erst möglich, nachdem am Deckengebälk der Glockenstube noch zwei Flaschenzüge befestigt waren, mit denen die Glocken angehoben werden konnte. Endlich stand sie im vierten Stockwerk des Kirchturms.
Um den Glockenaufzug genau zu sehen, hielten sich einige Erwachsene und Kinder in der Glockenstube auf. Dabei hätte es beinahe noch ein Unglück gegeben, als vom hinteren Ende des Kranbalkens eine Kette herunter fiel und Hans Holzinger jun. am Kopf und an der Schulter traf.
Am 11. Okt. hängte dann ein Monteur der Glockengießerei die Glocke in den Stuhl. Beim Zureichen eines schweren Werkzeugs rutschte der Student vor dem Schallfenster aus und wäre beinahe aus dem Kirchturm gefallen. Am Abend hatten sich dann die Neuenmuhrer wieder vor der Kirche versammelt, weil die Glocke erstmals angeschlagen wurde. Ihr Ton war zwar nicht so tief wie bei der großen Altenmuhrer Glocke, aber doch sehr wohlklingend und nachhallende. Mit dem Einbau der Läutemaschinen für alle Glocken waren die Baumaßnahmen beendet.
Am 15. Okt 1972 fand die Glockenweihe statt. Zuerst wurden die drei historischen Glocken mit Inschrift und Schlagton aufgerufen und einzelnen geläutet und dann ließ nach Gebet und Segnung die neue, große Glocke ihre tiefe Stimme erschallen – ein erhebender Moment vor allem für die, die es miterleben mußten, daß ihre Vorgängerin, die nur drei Jahre auf dem Turm hing, 1941 zu Kriegszwecken aufgeliefert werden mußte. Unter dem Geläut aller Glocken stimmt die Gemeinde dankbar den Choral: „Nun danket alle Gott …“ an. Pfarrer Bachmaier stellte die Predigt unter das Bibelwort: „Jesus Christus, gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit!“
Im Jahr des 400-jährigen Kirchenjubiläums läutet die Glocke nun auch schon ein halbes Jahrhundert und es bleibt zu hoffen, daß ihr nicht das gleich Schicksal widerfährt, wie den ersten Glocken der St. Jakobuskirche im 30-jährigen Krieg und ihrer unmittelbaren Vorgängerin 1941.
GÜNTER L. NIEKEL