Miserikordias Domini, 14.04.2024, St. Jakobus, 9.00 Uhr
Hebr 13, 20-21
13, 20 Der Gott des Friedens aber, der den großen Hirten der Schafe, unsern Herrn Jesus, von den Toten heraufgeführt hat durch das Blut des ewigen Bundes,
21 der mache euch tüchtig in allem Guten, zu tun seinen Willen, und schaffe in uns, was ihm gefällt, durch Jesus Christus, welchem sei Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.
Liebe Gemeinde,
Vor zwei Wochen haben wir das Osterfest gefeiert.
Hatte Ostern irgendwelche Auswirkungen auf unser Leben? Ist unser Leben durch die Botschaft, dass Jesus Christus von den Toten auferstanden ist, heller und freundlicher geworden?
Ist uns vor zwei Wochen wieder deutlicher geworden, warum wir Christen sind, was unsere besondere Hoffnung ist, die nur wir haben, und sonst die Welt nicht?
Diese Fragen führen uns direkt hinein in die damalige Situation, als der Hebräerbrief geschrieben worden ist.
Der erste Schwung des christlichen Glaubens ist dahin. Die Frauen und Männer der urchristlichen Gemeinde zweifeln immer mehr an ihrem Glauben.
Sie haben davon gehört, dass Jesus Christus von den Toten auferstanden ist, sie haben es geglaubt, dass er – wie es im Glaubensbekenntnis heißt – zur Rechten Gottes sitzt. Aber sie fangen an, unsicher zu werden.
Wo ist Jesus wirklich?
Sie sehen ihn nicht. Er ist auch nicht, wie viele Christen damals erwartet haben, wieder vom Himmel heruntergekommen, um das Reich Gottes auf dieser Erde zu begründen.
Aufgrund ihrer Enttäuschung fragen sich viele, was es mit dem christlichen Glauben auf sich hat. In diese Situation hinein wird der Segenswunsch gesprochen, den wir gehört haben. –
Heute, liebe Gemeinde, hat sich vieles verändert. Unser Weltbild ist um einiges anders als das Weltbild damals. Aber die Frage nach dem Glauben stellen auch wir immer wieder einmal.
Hören wir darauf noch einmal die Worte des Hebräerbriefs:
„Der Gott des Friedens aber, der den großen Hirten der Schafe, unsern Herrn Jesus, von den Toten heraufgeführt hat durch das Blut des ewigen Bundes, der mache euch tüchtig in allem Guten, zu tun seinen Willen,
und schaffe in uns, was ihm gefällt, durch Jesus Christus, welchem sei Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.“
Liebe Gemeinde, das ist kein schnell dahin gesprochener Abschiedsgruß, sondern Bitte und Gebet – eine Übergabe, ein Sich-Gott-Anvertrauen.
Und dieses Gottvertrauen des Briefschreibers hat zu tun mit Ostern.
So wie Gott Christus von den Toten heraufgeführt hat, so hat er auch für uns die Macht des Todes zerbrochen. Neues Leben wird uns geschenkt – mitten in unserem Leben!
Mit diesem starken Rückhalt können wir auch schwierige Zeiten im Leben bewältigen. Da ist sich der, der diese Worte schreibt, ganz sicher. Und wir können jetzt schon leben und handeln, wie Gott es will – ermutigt, gestärkt und herausgefordert, das Gute zu tun.
Freilich: Noch machen wir Fehler, noch laden wir Schuld auf uns, noch sind wir Sünder, die auf Vergebung angewiesen sind. Noch sind wir auf dem Weg. Und manches Mal ist unser Leben von Unruhe und von Unfrieden bestimmt.
Aber wir hören und wollen es auch glauben – weil wir’s brauchen – dass wir bei Gott zur Ruhe kommen werden. Dass wir hier keine bleibende Stadt haben werden inmitten der Sorgen und des Leids, die uns umgeben, sondern dass wir – wie es hier heißt – die zukünftige Stadt suchen.
Der Hebräerbrief sieht unser Leben ganz nüchtern. Er spricht von einem Kampf, den es zu bestehen gilt. Und diesen Kampf des täglichen Lebens, den kennen wir.
Was stärkt uns und unseren Glauben dabei? Das ist die Frage.
Lassen Sie uns Antwort-Versuche anschauen und ausprobieren:
Von Dietrich Bonhoeffer stammt der folgende Gedanke:
„Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage so viel Widerstandskraft geben will, wie wir brauchen. Aber er gibt sie nicht im Voraus, damit wir uns nicht auf uns selbst, sondern allein auf ihn verlassen. In solchem Glauben müsste alle Angst vor der Zukunft überwunden sein.“
Dieser Gedanke verleiht unseren Sorgen das richtige Gewicht.
Natürlich ist es verständlich, dass wir uns im Voraus überlegen, was wir tun und wie wir es richtig machen, was immer es sein mag: eine besondere Entscheidung z. B. ein Orts- oder ein Berufswechsel, eine Erkrankung, ein Abschied – oder was auch immer.
Dietrich Bonhoeffer meint: Gott wird uns zeigen, was zu tun ist, und uns die Kraft verleihen, die wir benötigen – dann, wenn es soweit ist. Diese Gewissheit strahlt auch der Segenswunsch aus unserem Predigttext aus.
Bonhoeffer fährt dann fort mit den Worten:
Ich glaube, dass Gott kein zeitloses Schicksal ist, sondern dass er auf aufrichtige Gebete und verantwortliche Taten wartet und antwortet.
Trotz aller Sorgen, die wir uns machen, trotz aller Zweifel, ob wir es überhaupt recht machen können – hier wird es gesagt: Gott wartet auf aufrichtige Gebete und verantwortliche Taten.
Das ist es: Beten und arbeiten. So, wie die Mönche um den Ordensgründer Benedikt gelebt haben.
Beten und arbeiten – die richtige Mischung macht’s. Und dazu rüstet er uns aus. Dazu befähigt er uns dann, wenn es drauf ankommt.
Ich habe dazu einmal den schönen Satz gelesen:
Die Menschen können die Welt nicht verändern, doch sie können ihre Augen verändern. Sobald sie ihre Augen verändern, ist auch die Welt verändert.
Wer sich von dem Osterglauben berühren lässt, dass Gott Jesus vom Tod auferweckt hat, der nimmt ganz bestimmt etwas wahr, was andere nicht wahrnehmen.
Unscheinbare Anzeichen von Liebe, von Hoffnung, von Stärke in anderen Menschen und eine sonderbar neue Hoffnung in einem selber, die aus dem österlichen Glauben herauskommt.
Weil einen das nicht gleichgültig sein lassen kann, dass Jesus Christus nicht tot ist, sondern sehr lebendig unter uns ist und wirkt! Das kann uns nicht so lassen, wie wir waren!
Wir erleben häufig genug, wie kalt, brutal und rücksichtslos, manchmal auch nur wie gedankenlos viele Menschen sein können.
Wir machen sicherlich ganz unterschiedliche Erfahrungen, wenn wir ehrlich sind, auch mit uns selber.
Manchmal aber geht mir das Herz auf, wenn ich Menschen beobachten darf, die sich um andere kümmern: im Kindergarten, im Krankenhaus, in der Arbeit der Behindertenhilfe oder der Hospiz, im Alten- und Pflegeheim.
Wie aufmerksam, wie behutsam Menschen da mit Anderen umgehen!
Solche Erfahrungen, liebe Mitchristen, dass sich einer aufmerksam und liebevoll einem anderen Menschen zuwendet, haben Sie auch schon oft gemacht.
Wir wären vermutlich nicht die, die wir heute sind, wenn es nicht Menschen gegeben hätte, die sich uns irgendwann auch einmal ganz zugewendet hätten. Die Eltern zuerst, die Großeltern, dann der Partner, die wirklich guten Freunde.
All dies, wo Menschen anderen Menschen das Leben bringen, wo Menschen für Andere zu Christus werden, wo Jesus in deren Leben plötzlich ein Gesicht bekommt, das sind Ostererlebnisse mitten im Alltag, die uns unendlich zuversichtlich und hoffnungsvoll stimmen können.
Sie zeigen, dass Gott mit seiner Liebe auch heute gegenwärtig ist. Und sie zeigen darüber hinaus, dass Gott uns Menschen – so wie es der Se-genswunsch im Hebräerbrief verheißt – tüchtig macht, seinen Willen zu tun.
Er macht uns tüchtig zu guten Taten in seinem Sinne. Das ist hier gemeint. Und das ist etwas ganz Besonderes, dass wir auf diese Weise an Gottes Tun – auch heute im 21. Jahrhundert – teilnehmen. –
Ein Mann aus dem kommunistischen Russland, in dem der christliche Glaube über viele Jahrzehnte unterdrückt worden war, antwortete auf die Frage, warum er jetzt Christ geworden sei, mit den Worten:
„Die Kirche ist barmherzig. Sie sieht die Schwächen der Menschen und akzeptiert sie trotzdem.“
Ist das nicht eine wunderbare Beschreibung dessen, wie Gott unter uns wirkt und wozu er uns befähigt: Barmherzig zu sein?
Und beim alledem – das kommt zu guter Letzt noch dazu – sind wir nicht allein auf unserem Lebensweg.
„Lasst uns aufsehen zu Jesus, dem Anfänger und Vollender des Glaubens.“
So lesen wir – ebenfalls im Hebräerbrief – an einer anderen Stelle.
Wir haben einen Herrn, Jesus Christus, an dem wir uns orientieren können. Seine Einladung an die Mühseligen, bei ihm Ruhe und Frieden zu finden, gilt weiterhin. Trotz Leid. Trotz Unglück. Trotz äußerem Missefolg.
Und diese Mühseligen, liebe Gemeinde, das sind doch manchmal auch wir.
Erinnern Sie sich an meine Frage vom Anfang? Hat die Botschaft von Ostern, von der Auferstehung Jesu, eine Auswirkung auf unser Leben?
Ich meine, wir können diese Frage mit Ja beantworten. Unser Leben ist heller geworden.
Wir werden ermutigt, mit Jesus bereits heute aufzuerstehen.
In einem Gedicht von Marie Luise Kaschnitz heißt es so:
Manchmal stehen wir auf
Stehen wir zur Auferstehung auf
Mitten am Tage
Mit unserem lebendigen Haar
Mit unserer atmenden Haut.
Nur das Gewohnte ist um uns.
Keine Fata Morgana von Palmen
Mit weidenden Löwen
Und sanften Wölfen.
Die Weckuhren hören nicht auf zu ticken
Ihre Leuchtzeiger löschen nicht aus.
Und dennoch leicht
Und dennoch unverwundbar
Geordnet in geheimnisvoller Ordnung
Vorweggenommen in ein Haus aus Licht.
So sei es, liebe Gemeinde, so sei es!
Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserm Herrn.
Amen.